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Aktuelles

17.03.2024 | Ein Interview von Mareike Köstermeyer

„Das Rentensystem tappt in eine demografische Falle“

Herr Binding, als ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD machen Sie sich schon seit vielen Jahren in der AG SPD 60 plus für verschiedene Themen stark, die nicht nur Seniorinnen und Senioren betreffen. Was treibt Sie an? 

Mein Leitspruch lautet: Alter schafft Zukunft. Es ist klug, wenn sich die Älteren, für eine gute Zukunft der Jüngeren engagieren, für Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Das machen wir in der AG SPD 60 plus. Dabei nehmen wir in Debatten den Blickwinkel der Älteren ein, kümmern uns aber um Themen, die Jung und Alt gleichermaßen betreffen. Natürlich denken wir auch an Themen, wie Rente, Pflege, Altersarmut oder Einsamkeit. So gab es beispielsweise niemals zuvor so viele Erwerbstätige in Deutschland wie zurzeit – rund 46 Millionen Menschen. Und trotzdem ist Altersarmut für viele Rentnerinnen und Rentner im reichen Deutschland ein Thema. Unser Rentensystem ist in Schieflage.

Laut Sozialverbänden und auch der AG SPD 60 plus reicht das von der großen Koalition bis 2025 garantierte Rentenniveau von 48 Prozent nicht, um die Altersarmut zu bekämpfen. Sie fordern darum ein deutlich höheres Niveau. 

Es ist immer die Frage: 48 Prozent wovon? Haben die aktiv arbeitenden, sagen wir im Alter zwischen 20 und 65 gute Arbeit, faire Löhne und hatten die Rentnerinnen und Rentner eine glatte Arbeitsbiografie ohne Unterbrechungen und auch faire Löhne, dann ist Altersarmut bei einem Rentenniveau von 48 Prozent kein Thema. Unter den gegenwärtigen Bedingungen allerdings, liegt unsere Forderung bei einem Rentenniveau von über 50 Prozent.

Trotzdem hält die Bundesregierung im jüngst vorgelegten Rentenpaket II an der 48 Prozent-Marke fest und garantiert, dass der Rentenbeitrag bis 2027 bei rund 18 Prozent bleibt. 

Wer dabei stets nur an die Anzahl Junger im Verhältnis zur Anzahl Älterer denkt, ist in die demografische Falle getappt, denn wir haben kein Problem zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Arm und Reich: Es stimmt zwar, dass 1950 sechs Erwerbstätige die Rente für eine Rentnerin oder einen Rentner bezahlt haben, während heute weniger als drei Erwerbstätige die Rente von einem Rentner aufbringen. Aber die Produktivität dieser drei ist heute so viel höher als früher, dass sogar mehr Ältere, die länger leben als früher, kein Problem wären, wenn der Produktivitätszuwachs über die Jahrzehnte fair verteilt worden wäre. So aber werden die Reichen immer reicher und in der Rente bleibt ein Finanzierungsproblem bestehen.

Darum enthält das Rentenpaket II den Ansatz des Generationenkapitals: Der Staat will die Finanzierung der Rente durch renditeorientierte Anlagen am Kapitalmarkt unterstützen. Was ist Ihre Meinung dazu? 

Das Generationenkapital ist kreditfinanzierte Spekulation. Grundsätzlich ist es richtig die Finanzierung der Rente auf mehrere Säulen zu verteilen: gesetzlich, betrieblich, privat. Aber alle Säulen speisen sich aus der gleichen Quelle: der aktiv arbeitenden Bevölkerung. Deshalb ist auch das Generationenkapital keine neue Geldquelle. Dazu kommt, dass die erhoffte jährliche Rendite von zehn Milliarden Euro ab 2036 in meinen Augen nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, der die Lohnnebenkosten nicht wesentlich senkt. Ab 2036 würde das 200 Milliarden Stiftungskapital gerade mal 0,3 Prozent des Rentenversicherungsbeitrags ausmachen. Absurder Aufwand, geringer Effekt. Oder anders gesagt: Davon könnten wir nur anderthalb Wochen die Rente in Deutschland bezahlen.

Welche Maßnahmen schlagen Sie zur Sicherung der Rente vor?

Wir brauchen gute Arbeit und faire Löhne. Wenn die Entlohnung gut ist, sind höhere Rentenbeiträge kein Problem. Geld ist genug da. Das Finanzierungsproblem resultiert daraus, dass das Geld ungleich verteilt ist, und sich dadurch Vermögen bei einigen wenigen konzentriert. Eine faire Gewinnverteilung mit höheren Löhnen wäre sozial gerecht und würde die Rente stabilisieren. Außerdem sollte die gesetzliche Rentenversicherung alle Menschen miteinschließen.

Wie meinen Sie das?

Unser Rentensystem wäre stabiler, wenn wir eine systemische Umstellung auf eine Erwerbstätigenversicherung hätten, in die alle berufstätigen Menschen einzahlen würden - also auch Ärzte, Beamte oder Selbstständige. Eine Umstellung zu einem solchen System würde drei Generationen dauern, weil alte Rechtsansprüche natürlich erhalten blieben. Unsere Nachbarn in Österreich haben diesen Schritt 2005 gewagt.